Ich wünsche mir mehr Freizeit-Jurist*innen!


Ich wünsche mir mehr Freizeit-Jurist*innen!

Ich war noch nicht lange als Anwältin tätig, da wurde mir zugetragen, dass ich im Kreise meiner Kolleg*innen bereits den Spitznamen „Freizeitjuristin“ trug.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich recht verwirrt und hin und her gerissen war, wie ich das finden sollte.

Denn ich wusste recht schnell, welche Verhaltensweisen u.a. mir diesen Spitznamen eingebracht hatten:

  • Mitorganisation einer wöchentlichen, abendlichen Yoga-Stunde in der Kanzlei
  • Wöchentliche Teilnahme an einer gemeinsamen Jogging-Aktion im Sommer mit anderen Kanzleikolleg*innen
  • Initiierung von monatlichen Besuchen von Kunstausstellungen durch eine Gruppe von Associates
  • Wöchentliches privates Mitsingen in einem Chor
  • Mittagspausen manchmal länger als 1 Stunde

Ich wusste auch, dass „Freizeitjuristin“ nicht positiv konnotiert war und ich den Spitznamen nicht aus Anerkennung, sondern eher aus Despektierlichkeit erhalten hatte:

Maresi...

...hat nicht genug zu tun in der Arbeit

...hat keinen Biss

...setzt keine klaren Prioritäten (zugunsten der Arbeit)

...ist nicht 100 % committed

...hat keine Lust auf Arbeit.

Und gleichzeitig war all das, was mich als „Freizeit-Juristin“ disqualifiziert hatte, die puren „Freude-Momente“ für mich. Dinge, auf die ich den gesamten Tag hinfieberte und die mir die Arbeit wirklich versüßten. All das motivierte mich erst, in die Arbeit zu gehen.

Denn...

...ich bin ein „Scanner“ – das bedeutet: ich brauche die Abwechslung, ich brauche unterschiedliche Reize und bin erst dann in meinem Element, wenn ich nicht Tag ein Tag aus das immer Gleiche erlebe. Erst mit der Vielseitigkeit kommt meine Brillianz.

...ich bin schnell und fokussiert. Das Wort Prokrastination kenne auch ich, aber ich schiebe nur selten etwas vor mir her. Das bedeutet, dass ich gut darin bin, Arbeit wegzuarbeiten.

...ich habe bereits in der Examensvorbereitung für mich verstanden, dass ich ausreichend Ruhe- und Denkpausen benötige, damit ich richtig richtig gut sein kann.

...ich liebe Gemeinschaftlichkeit und trage gerne aktiv zu einem „Wir“ Gefühl bei.

...ich brauche Freude, Leichtigkeit und Positivität auch in der Arbeit. Es muss nicht immer alles easy sein, aber der Spaß darf nicht fehlen.

Ich war damals traurig und enttäuscht, dass ich in meiner Vielseitigkeit, meiner eigenen Achtsamkeit und Positivität Anlass zu Irritation gab. Ich zweifelte an mir und versuchte mich anzupassen.

Mit meinem heutigen Erfahrungsschatz weiß ich, dass es nur das falsche Arbeitsumfeld für mich war. Denn all das, was ich da mitgebracht habe, wurde später an einem anderen Arbeitsort gefeiert und gewertschätzt.

Falls auch du „anders“ bist, vielleicht sogar auch eine sogenannte „Freizeitjurist*in“, dann möchte ich dir sagen: Zeig mehr davon und sei du selbst! Und wenn dein Umfeld dich dafür nicht feiert, dann ist es nicht das richtige und vielleicht Zeit zu gehen. Es wird einen anderen, besseren Ort für dich geben, denn…

...mit Jura kannst du alles machen!